Über die Whistleblower-Richtlinie der EU, die Österreich bis 17.Dezember 2021 umsetzen muss, haben wir Sie bereits in unserem Beitrag (EU-Richtlinie zum Schutz für Hinweisgeber/Whistlebllower (rechtdirekt.at) informiert. Zukünftig müssen viele Unternehmen und öffentliche Dienststellen interne Meldekanäle für Hinweisgeber einrichten, um diese besser vor Missständen zu schützen. Doch was genau kommt auf die Firmen zu und wie weit soll der Schutz für Whistleblower tatsächlich gehen? Geht der Schutzschirm eventuell sogar zu weit?

Wer und Was ist betroffen?

Größere Firmen müssen zuerst ein solches System einrichten, kleinere haben etwas länger dafür Zeit. Doch ganz grundsätzlich besteht für jeden Arbeitgeber auch schon jetzt die Pflicht, Hinweisgeber vor dienstrechtlichen Nachteilen zu schützen. Die EU-RL bezieht sich bei genauerem Hinsehen nur auf „Verstöße gegen Unionsrecht“. Das betrifft also das öffentliche Auftragsvergaben, Finanzdienstleistungen, Produkt- und Verkehrssicherheit, Umwelt- und Klimaschutz, nukleare Sicherheit, Lebensmittelsicherheit, Tierschutz, öffentliche Gesundheit, Verbraucher- und Datenschutz sowie die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Derartige Szenarien will die EU künftig vermeiden. Wie weit das in den einzelnen Ländern reichen wird, hängt stark von den nationalen Umsetzungsgesetzen ab.

Wichtig aus Unternehmersicht

Hinweisgebern steht es laut den EU-Vorgaben frei, Missstände auch gleich an Behörden wie Finanzmarktaufsicht (FMA) oder Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu melden. Das setzt Firmen unter Zugzwang, denn die technische Umsetzung ihres Meldekanals bleibt ihnen zwar einerseits überlassen, theoretisch reicht ein Briefkasten aber auch aus. Die internen Meldeplattformen stehen aber im Wettbewerb mit jenen der Behörden, deren IT-gestützte Systeme ein hohes Schutzniveau und oft auch Anonymität bieten. Sind interne Plattformen nicht ähnlich gut ausgestaltet, wird der Anreiz für Hinweisgeber größer, sich gleich an eine Behörde zu wenden. Betroffenen Unternehmen kann das massiv schaden.

Was ist wirklich neu?

Auch jetzt darf man vermutete Missstände melden. Das wirklich Neue ist die Institutionalisierung von Meldekanälen bei Firmen und öffentlichen Stellen. Mit einem Vorwurf an die Öffentlichkeit zu gehen, bleibt auch weiterhin riskant und sollte nur ausnahmsweise, wenn auf eine Meldung nicht reagiert wurde, bei Gefahr im Verzug oder wenn man Grund zur Annahme hat, dass die Behörde nicht aktiv werden wird, gemacht werden. Unternehmen müssen daher klare Regeln treffen: Was soll gemeldet werden? Wer soll die Hinweise entgegennehmen und wie geht man dann damit (auch mit Hinweisen, die den Rahmen sprengen) um? Dabei muss auch klar kommuniziert werden, was nichts im Meldekanal verloren hat (etwa kleine Verfehlungen wie Zuspätkommen). Überhaupt gelte es zu vermeiden, dass Mitarbeiter sich beobachtet oder gar von Kollegen bespitzelt fühlen.

Werden von falschen Anwürfen Betroffene nicht gut genug geschützt?

Diese Gefahr besteht durchaus, denn der Schutz, der Hinweisgebern aufgrund der EU-RL zusteht, geht sehr weit. Oberstes Gebot ist die vertrauliche Behandlung der Identität, Ausnahmen soll es etwa aufgrund von Offenlegungspflichten im Rahmen einer behördlichen Untersuchung oder eines Gerichtsverfahrens geben. Hinweisgeber sind außerdem vor Repressalien zu schützen: Sie dürfen nicht schlechter gestellt oder gekündigt werden, ein durch eine Repressalie erlittener Schaden ist vollständig wiedergutzumachen. Das soll dazu ermutigen, Missstände zu melden, bei der Aufdeckung mitzuhelfen und dadurch Unternehmen bzw. öffentliche Rechtsträger vor Schäden zu schützen.

Das ist freilich nur eine Seite, denn auf der anderen könnte ein beinahe grenzenloser Schutz von Hinweisgebern dem „Anpatzen“ Vorschub leisten.  Ein Hinweisgeber sollte zumindest einen begründeten Verdacht äußern und entsprechend belegen müssen. Außerdem muss die Frage gestellt werden, wo der Vertraulichkeitsschutz enden soll?! Ohne solche Regeln droht möglicherweise ein Missverhältnis zulasten jener, die von Anschuldigungen betroffen sind. Diese benötigen ebenfalls Rechtsbehelfe, um sich gegen unberechtigte Anwürfe zu wehren. Bei der Verleumdung oder übler Nachrede sind die Verfolgungshürden momentan hoch.

Fazit: Zwar müssen Arbeitgeber Hinweisgeber auch jetzt schon vor dienstrechtlichen Konsequenzen schützen, doch nach der neuen Whistleblower-RL der EU werden sie zukünftig auch Meldekanäle einrichten und klare Regeln für den Umgang mit Hinweisen vorgeben müssen. Der Schutz für Hinweisgeber geht sehr weit und die Gefahr, damit Anreize für falsche Anschuldigungen zu schaffen, ist gegeben. Aus unserer Sicht ist die Grundidee, Hinweisgeber zu schützen, zwar richtig, aber es braucht dafür ein Regulativ. Insgesamt gelte es, keine falschen Anreize zu schaffen und Hinweisgebern bewusst zu machen, dass eine grundlose, an den Haaren herbeigezogene Anzeige auch für sie schlecht ausgehen kann.

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