Weite Teile der Wirtschaft stecken noch im Lockdown fest, andere dürfen nun bestenfalls kleine Öffnungsschritte wagen. Was wird passieren, wenn die gesetzlichen Fristverlängerungen bzw. Aufschübe im Insolvenzrecht schrittweise enden? Muss mit einer Pleitewelle gerechnet werden? In unserem Beitrag (Insolvenzwelle ab Oktober 2020 befürchtet (rechtdirekt.at) haben wir bereits über die möglichen Ursachen dafür berichtet.  Österreich hat bis zum 17.07.2021 eine EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen umzusetzen. Könnte diese zum Rettungsanker für krisengebeutelte, aber an sich überlebensfähige Unternehmen werden?

Problematik

Fiskus und Sozialversicherung sind bei Corona-bedingten Ratenvereinbarungen als Gläubiger privilegiert. Konkret heißt das, dass der Insolvenzverwalter Zahlungen bis Ende Juni 2022 von ihnen nicht zurückverlangen kann, sollte das Unternehmen doch noch pleitegehen. Unter Juristen ist das umstritten, denn einerseits verschafft es von der Krise gebeutelten Unternehmen eine Schonfrist, andererseits bedeutet es eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Gläubigern, was verfassungsrechtlich bedenklich ist. Aber das ist nicht das einzige Risiko, denn auf die erste Ratenzahlungsphase folgt eine zweite, in der Unternehmen weiterhin auf Zahlungsaufschub hoffen müssen. Zu beachten ist, dass die Forderungen weiterbestehen, bis sie irgendwann fällig werden. Hat es der Schuldner bis dahin nicht geschafft, sich wirklich wirtschaftlich zu erholen, riskiert er möglicherweise eine Haftung wegen Insolvenzverschleppung. Vor allem Geschäftsführer bzw. Vorstände einer GmbH oder AG setzen sich einem nicht unbeträchtlichen Haftungsrisiko aus, wenn sie nicht rechtzeitig ein Insolvenzverfahren einleiten.

Entwurf liegt bereits vor

Eine neue Restrukturierungsordnung könnte zum Rettungsanker für krisengebeutelte, aber an sich überlebensfähige Unternehmen werden. Die Umsetzungsfrist für die Richtlinie (EU 2019/1023) endet am 17. Juli 2021. Auch in Österreich liegt längst ein Gesetzesentwurf vor, weshalb es noch kein Umsetzungsgesetz gibt, ist fraglich. Immerhin ist das Gesetz Teil des längst überfälligen Insolvenzrechtsreformpakets.

Chancen aufgrund der Neuerung

Das neue Restrukturierungsverfahren eröffnet für Unternehmer ganz neue Möglichkeiten. Zum Beispiel kann es auch als nicht öffentliches Verfahren abgehandelt werden. Darüber hinaus kann sich der Unternehmer darin auf bestimmte Gläubigerklassen, etwa Bankengläubiger oder Kreditversicherer, beschränken. Betriebsnotwendige Lieferanten oder die Dienstnehmer müssen somit nicht mehr zwingend eingebunden werden. Es ähnelt in gewisser Weise einer außergerichtlichen Restrukturierung, verbunden mit den Möglichkeiten eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens. Auch anfechtungsfeste Finanzierungen sollen möglich werden. Damit würden z.B. finanzierende Banken den derzeit begünstigten Abgabengläubigern gleichgestellt.

Vieles ist dabei durch Unionsrecht vorgegeben, es bleibt aber noch Spielraum für den nationalen Gesetzgeber. In diesem Punkt gibt es bereits zahlreiche Vorschläge von Experten. So könnte das neue Verfahren gerade jenen Unternehmen zugutekommen, die unter normalen Umständen positiv wirtschaften würden, aber Corona-bedingt unverschuldet in Schieflage geraten sind. Voraussetzung für die Restrukturierung wird es trotzdem sein, dass das Unternehmen immer noch zahlungsfähig ist, ansonsten bleibt letzten Endes doch nur der Weg in die Insolvenz.

Fazit: Enden die Corona-bedingten Aufschübe im Insolvenzrecht, so könnte sich die Lage in Richtung einer Insolvenzwelle zuspitzen. Eine neue Restrukturierungsordnung muss nach unionsrechtlicher Vorgabe bis Juli umgesetzt werden. Diese könnte ein Rettungsanker für Unternehmen sein, die aufgrund der Pandemie, zwar noch zahlungsfähig, aber bereits in Schieflage geraten sind. Neben Vorgaben der EU bleibt Spielraum für den nationalen Gesetzgeber. Das Umsetzungsgesetz wird heiß erwartet und seiner konkreten Ausgestaltung ist mit Spannung entgegenzusehen.  

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