Seit dem 16.12.2020 gilt bei unseren deutschen Nachbarn ebenfalls pandemiebedingt ein zweiter Lockdown. Die im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 angeordneten Ladenschließungen haben auch in Deutschland bereits zu zahlreichen Konflikten zwischen Vermietern und Mietern geführt. Über die Rechtslage in Österreich haben wir in unserem letzten Beitrag berichtet (Konträre Standpunkte – Was wurde bisher entschieden? (immobilienrecht-klagenfurt.at). Wie sieht die Gesetzeslage in Deutschland aus und welche Reaktionen gibt es seitens der deutschen Rechtsprechung auf die Problematik, welche nun zu eskalieren droht?

Im Mittelpunkt steht regelmäßig der Streit um die Risikotragung der Mietzahlung. Seitens der Mieter werden für eine mögliche Herabsetzung der Miete zum Teil ganz unterschiedliche Rechtinstitute ins Feld geführt. Neben der Mietminderung auch die rechtliche Unmöglichkeit oder Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 (Bürgerliches Gesetzbuch) BGB. Vermieter hingegen sehen die Risikoverteilung zu ihren Lasten in der Regel nicht gesetzlich verankert.

Als Reaktion auf solche Rechtsunsicherheiten hat der Bundestag am 17.12.2020 das „Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Patentrecht“ (Bt. Drs. 19/25251) verabschiedet. Die Gesetzesänderung ist am 31.12.2020 in Kraft getreten und bewirkt unter anderem, dass im Rahmen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB eine gesetzliche Vermutung dahingehend verankert wurde, dass Corona-bedingte Schließungsverordnungen zu einer schwerwiegenden Veränderung der vertraglichen Grundlage zwischen den Mietparteien führen und damit den Anwendungsbereich für eine Vertragsanpassung eröffnen.

Hinsichtlich der neuen gesetzlichen Vermutung, die in vielen Fällen den Anwendungsbereich des § 313 BGB eröffnet, ist jedoch Vorsicht geboten, da sie die für konkrete Ergebnisse notwendige Einzelfallerwägung nicht ersetzt.

Details zur gesetzlichen Vermutung

Die zugunsten des Mieters widerlegbare Vermutung, dass eine staatliche Maßnahme infolge der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie zu einer schwerwiegenden Veränderung der vertraglichen Grundlage zwischen den Mietparteien führt, gilt nur, soweit der Mietgegenstand aufgrund der staatlichen Maßnahme für den Betrieb des Mieters nicht mehr oder nur noch mit erheblichen Einschränkungen verwendbar ist. An einer erheblichen Einschränkung fehlt es etwa, wenn bei einem Betrieb mit Publikumsverkehr die Kundschaft allein wegen sinkender Konsumbereitschaft ausbleibt.

Die gesetzliche Vermutung führt außerdem nicht automatisch zu einem Anspruch auf Vertragsanpassung. Es bestehen durchaus Ansatzpunkte für den Vermieter, sich trotz der gesetzlichen Vermutung gegen eine Vertragsanpassung zu wehren. So kann die Vermutung etwa widerlegt werden, wenn der Mietvertrag zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, in dem eine pandemieartige Ausbreitung des Coronavirus in der breiten Öffentlichkeit bereits absehbar war.

Zudem besteht ein Anspruch des Mieters auf Vertragsanpassung auch weiterhin nur, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 313 BGB erfüllt sind. Für diese gilt keine gesetzliche Vermutung. Der Mieter muss also im Streitfall weiterhin beweisen, dass ihm aufgrund der staatlichen Maßnahme ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Ob eine Unzumutbarkeit vorliegt, hängt maßgeblich davon ab, wie intensiv sich die staatlichen Beschränkungen auf den Betrieb des Mieters auswirken. Hat der Mieter öffentliche oder sonstige Zuschüsse erhalten oder durch Anmeldung von Kurzarbeit oder durch Wegfall des Wareneinkaufs Aufwendungen erspart, spricht dies gegen eine Unzumutbarkeit.

Zur Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 313 BGB ist noch anzuführen, dass dieser nach aktueller deutscher Rechtsprechung jedenfalls dann nicht gegeben ist, wenn das mietrechtliche oder das allgemeine Leistungsstörungsrecht anwendbar ist. Läge eindeutig ein Mietmangel nach § 536 BGB vor, wäre eine Mietminderung vorrangig nach dieser Vorschrift zu bemessen und es käme auf eine Störung der Geschäftsgrundlage gar nicht an. Die Gesetzesinitiative ändert daher letztlich nichts daran, dass für jeden Einzelfall zu prüfen ist, ob aufgrund einer staatlich angeordneten Ladenschließung ein Mangel der Mietsache oder rechtliche Unmöglichkeit vorliegt.

Offene Frage für Vermieter

Über eine aus Vermietersicht zentrale Frage enthält das Gesetz keine Aussage: Welche Auswirkungen hätte eine mögliche Vertragsanpassung auf die Finanzierung des Vermieters? Soweit sich der Mieter auf eine Störung der Geschäftsgrundlage berufen kann, führt dies auf Seiten des Vermieters zu empfindlichen Mietausfällen. Während ihm die Miete nicht mehr zufließt, bleibt er gegenüber seiner finanzierenden Bank zur Zahlung verpflichtet. Gegenüber der finanzierenden Bank kann sich der Vermieter nach derzeitiger Gesetzeslage nicht auf eine gesetzliche Vermutung berufen und kann in eine finanzielle Konfliktsituation geraten. Da der Vermieter die von ihm geschuldete Leistung unverändert erbringt, erscheint dieses Ergebnis nicht interessengerecht. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber zum Schutz der Vermieter hierzu eine Regelung treffen wird.

Fazit: Mit einer Gesetzesänderung stärkt der deutsche Gesetzgeber die Rechtsposition der Mieter durch die neu geschaffene gesetzliche Vermutung und die dadurch erzeugte Notwendigkeit der Verhandlung zwischen Vermieter und Mieter. Bei näherer Betrachtung wird der Vermieter im Einzelfall jedoch auch weiterhin zahlreiche Argumente gegen eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB vorbringen können. Einige Fragen sind auch bei unseren deutschen Nachbarn noch offen und es bleibt abzuwarten, welche Tendenz sich in der Rechtsprechung nach zahlreichen Einzelfallentscheidungen abzeichnet.

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