Im pandemiebedingten Streit um Geschäftsraummieten gibt es eine neue Facette:  Mieter, die wegen der Pandemie Zinsentfall oder Zinsminderung für ihre Geschäftslokale geltend gemacht haben, sehen sich zunehmend mit Räumungsklagen oder deren Androhung konfrontiert. Haben sie wirklich den Verlust ihres Betriebsstandorts zu befürchten, falls sie den Rechtsstreit verlieren?

Was steht im MRG?

Laut Mietrechtsgesetz (MRG) kann der Vermieter einen Mietvertrag nur aus wichtigen Gründen kündigen – unter anderem, wenn ein qualifizierter Mietzinsrückstand besteht (§ 30 MRG). Zahlt der Mieter den Zins jedoch rechtzeitig nach, kann er die Räumung abwenden. Konkret muss dazu ein gerichtlich festgestellter Zinsrückstand noch vor Schluss der Verhandlung, die der Entscheidung des Gerichts erster Instanz über die Räumung unmittelbar vorangeht, bezahlt werden (§ 33 Abs 2 MRG). Das gilt jedoch nur dann, wenn den Mieter an dem Zahlungsrückstand kein grobes Verschulden trifft.

Coronabedingter Mietstreit

Das hat auf den ersten Blick wenig mit den Streitfällen über Zinsentfall oder -minderung wegen pandemiebedingter Nutzungseinschränkungen zu tun, denn diese Ansprüche entstehen ex lege, wenn ein Geschäftslokal wegen eines außerordentlichen Zufalls, etwa einer Seuche, nicht oder nur eingeschränkt benützt werden kann (siehe dazu unser Beitrag zu § 1104 f ABGB LINK). Von Gesetzes wegen entfällt dann die Zahlungspflicht ganz oder teilweise, somit kann gar kein Zinsrückstand entstehen.

Strittige Fragen

Im Zusammenhang mit Covid-19 gibt es jedoch einige strittige Auslegungsfragen. Einige Vermieter machen beispielsweise geltend, dass den Mieter bei Verkennung der Rechtslage auch ein grobes Verschulden am Rückstand trifft: So zum Beispiel in Fällen, in denen der Mieter, gestützt auf § 1104 ABGB, für bestimmte Zeiträume keinen Zins gezahlt hat, während der Vermieter meint, das Mietobjekt sei doch teilweise benützbar gewesen.

Laut ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofs (OGH) setzt grobes Verschulden in diesem Sinne ein besonderes Maß an Sorglosigkeit voraus. Nach herrschender Ansicht in der Lehre kann jemandem, der im Einklang mit veröffentlichten Rechtsansichten und der bisherigen Judikatur handelt, aber kein grobes Verschulden angelastet werden.  Zweifel über die wahre und vertretbare Verkennung der Rechtslage können ebenso wie auch ein Irrtum über das Vorliegen eines Zahlungsrückstands in der Regel nur leichte Fahrlässigkeit begründen.

Fazit: Ein Zinsrückstand, der zur Räumung berechtigt, entsteht gar nicht erst, wenn die Zahlungspflicht pandemiebedingt (§ 1104 ABGB) entfällt. Allerdings ist die Rechtslage hier noch auslegungsbedürftig – jedenfalls gibt es auch nach der bisherigen Judikatur zu diesem Thema noch strittige Fragen. Unserer Ansicht nach müssen sich Mieter vorerst grundsätzlich nicht vor dem Verlust der Betriebsräumlichkeiten fürchten, denn ein Handeln im Einklang mit veröffentlichten Rechtsansichten und der bisherigen Judikatur kann kein grobes Verschulden begründen.

 

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