Bei Produktfehlern ist zwischen Konstruktionsfehlern, Produktionsfehlern und Instruktionsfehlern zu unterscheiden. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat sich in seiner jüngsten Entscheidung mit der Frage befasst, ob und welche Produktionsinstruktionen erforderlich sind und was gegeben sein muss, damit die maßgebenden Sicherheitserwartungen erfüllt sind.

Zum Sachverhalt

Der Kläger kaufte eine von der Beklagten hergestellte Stufenstehleiter, welche im Zeitpunkt des Kaufs zusammengeklappt und foliert war. Auf der Unterseite befand sich eine zusammengefaltete, angeklammerte Benutzerinformation, die auch von außen gut sichtbar war. In der Beschreibung gab es auch einen Punkt bezüglich der Benützung der Leiter, wo ausdrücklich festgehalten war: „Stehleitern nicht zum Aufsteigen auf eine andere Ebene benutzen“. Auf der Unterseite der Leiter waren zudem 27 Piktogramme angebracht, welche ebenfalls vor dem Auseinanderklappen der Leiter von außen deutlich sichtbar waren. Eines der Piktogramme verbat das Übersteigen von der Leiter auf eine andere Trittfläche.

Der Kläger nahm beim Auspacken der Leiter sowohl die Piktogramme als auch die Benutzerinformation wahr, las sie jedoch nicht durch und studierte auch nicht die Piktogramme. Er benützte die Leiter daraufhin mehrmals zum Auf- und Absteigen auf das Baugerüst. Im Zuge dessen kam es zu einem Sturz des Klägers, wobei auch der Leiterholm knickte. Der Kläger forderte von der Beklagten die Zahlung von Schmerzengeld für die beim Unfall erlittenen Verletzungen und begehrte außerdem die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Unfallfolgen. Diesbezüglich stützte er sich auf das Produkthaftungsgesetz (PGH). Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig und die Sache wurde dem OGH vorgelegt (veröffentlicht in OGH 8 Ob 35/20k).

Rechtliche Beurteilung

Die Produkthaftung umfasst Personenschäden und Sachschäden, die durch Fehler verursacht werden, welche das Produkt bereits beim Inverkehrbringen aufwies. Personenschäden werden ohne Unterscheidung zwischen Verbraucher und Unternehmer uneingeschränkt ersetzt (kein Selbstbehalt). Der Sachschaden muss bei einer vom fehlerhaften Produkt verschiedenen Sache eingetreten sein, wobei nur privat genutzte Sachen im Rahmen des PHG ersetzt werden.

Als Produkt gemäß § 4 PHG gilt jede bewegliche körperliche Sache, auch wenn sie ein Teil einer anderen beweglichen Sache oder mit einer unbeweglichen Sache verbunden worden ist. Ein Produkt gilt als fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist. Dabei kommt es auf die objektiv berechtigten Sicherheitserwartungen und die Darbietung des Produkts an.

Zu den Produktfehlern zählen auch so genannte Instruktionsfehler, bei welchen es sich um Gebrauchsanweisungen handelt. Hier macht ausschließlich die unzureichende Darbietung das Produkt fehlerhaft. Ob die maßgebenden Sicherheitserwartungen erfüllt sind bzw. ob und welche Produktinstruktionen erforderlich sind, entscheidet sich regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls.

In einer früheren Entscheidung hat der OGH einen Instruktionsfehler bejaht, weil das der dortigen Steh- und Schiebeleiter beigefügte Piktogramm nicht ausreichte, um den durchschnittlichen Produktbenützer vor der bekannten Gefahr zu warnen. Im Anlassfall führte der Revisionswerber aus, dass das gegenständliche Piktogramm keinesfalls allgemein verständlich und klar gewesen sei und er nicht vor einem seitlichen Übersteigen gewarnt wurde. Der Kläger ließ die schriftliche Erläuterung in der Benutzerinformation außer Acht und verkannte auch das Wesen von Piktogrammen, die Informationen durch vereinfachte grafische Darstellung vermitteln. Zwar wies die Beklagte nicht explizit auf die Gefahr des Einknickens des Leiterholms durch das Übersteigen hin, dies war jedoch Folge des mit dem Übersteigen auf die Leiter ausgeübten seitlichen Drucks, womit sich gerade ein Risiko verwirklichte, dem das Verbot begegnen sollte. Nach Ansicht des OGH lag in diesem Fall kein Instruktionsfehler vor, weil das Piktogramm ausreichte, um vor den damit verbundenen Gefahren zu warnen.

Was die Frage nach dem Vorliegen eines Konstruktions- bzw. Produktionsfehlers betrifft, so war das Einknicken des Holmes an jener Stelle, an der das Sicherheitsgurtband angebracht war und der Holm durch die notwendige Bohrung für das Annieten des Bandes eine Schwachstelle aufwies, Folge des verbotenen Übersteigens. Die mechanischen Werte im Bereich des eingeknickten Holmes entsprachen der Normvorgabe. Damit ist die Fehlerfreiheit des Produkts indiziert (veröffentlicht in OGH 2 Ob 249/02k).

Welche Schäden sind grundsätzlich vom PHG erfasst?

Die Haftung nach PHG erfasst jedoch nicht jeden Sachfolgeschaden. Beispielsweise werden bloße Vermögensschäden, entgangene Gewinne und sogenannte „Weiterfresserschäden“, welche als Folge des Fehlers an der Sache selbst entstehen, nicht ersetzt. Diese Schäden können unter Umständen aber im Rahmen des allgemeinen Schadenersatzrechtes ersetzt werden. Außerdem muss beachtet werden, dass bezüglich der privaten Sachschäden für den Geschädigten ein Selbstbehalt von 500 € besteht.

Wer ist haftpflichtig?

Grundsätzlich trifft die Schadenersatzpflicht den Hersteller. Auch den Quasi-Hersteller, das sind Unternehmer, die fremdproduzierte Produkte mit ihren Erkennungszeichen, Namen, Marke etc. versehen, betrifft die Haftung. Der Importeur, der das Produkt erstmals in den Verkehr gebracht hat, hat ebenfalls Schadenersatzpflichten nach dem PHG. Ein Produkt gilt dann als in den Verkehr gebracht, wenn es mit Willen des Herstellers oder Importeurs aus dessen Verfügungsmacht gebracht wurde (Werktorprinzip). Auf die Entgeltlichkeit kommt es nicht an.

Kann für den Geschädigten der Hersteller oder Importeur nicht festgestellt werden, so ist es auch möglich, dass ein Händler haftpflichtig wird. Dieser kann sich jedoch dadurch von der Haftung befreien, wenn er dem Geschädigten innerhalb angemessener Frist den Hersteller oder seinen Vorlieferanten nachweislich namhaft machen kann. Zu beachten ist auch, dass die Haftung nach dem PHG ist verschuldensunabhängig ist und im Voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden kann.

Fazit: Die Produkthaftung umfasst Personenschäden und Sachschäden, die durch Fehler verursacht werden, welche das Produkt bereits beim Inverkehrbringen aufwies. Ein Produkt gilt als fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist. Dabei kommt es auf die objektiv berechtigten Sicherheitserwartungen und die Darbietung des Produkts an. Ein Instruktionsfehler liegt nicht vor, wenn die Gebrauchsanweisungen ausreichen, um vor den mit dem Produkt verbundenen Gefahren zu warnen. Es ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden.

 

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