Die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus erschweren aktuell die Erfüllung von Verträgen, die in der Zeit vor der Ausbreitung des Corona-Virus abgeschlossen wurden. Die Problematik rund um die Mietverträge haben wir in unseren Beiträgen (Konträre Standpunkte – Was wurde bisher entschieden? (immobilienrecht-klagenfurt.at) und Auswirkungen von COVID-19 auf das Bestandsrecht? (immobilienrecht-klagenfurt.at)erläutert. Bei unseren deutschen Nachbarn wurde in diesem Zusammenhang der Wegfall der Geschäftsgrundlage (Deutschland: Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen COVID-19 (immobilienrecht-klagenfurt.at) thematisiert. Nun stellt sich die Frage, ob diese rechtliche Grundlage auch in Österreich herangezogen werden könnte, um Verträge aufgrund der aktuell vorliegenden Umstände nicht erfüllen zu müssen, ohne seinem Vertragspartner ersatzpflichtig zu werden.

Wegfall der Geschäftsgrundlage in Österreich

Grundsätzlich ist die Motivation zum Vertragsabschluss, die nicht Vertragsinhalt wurde, bei entgeltlichen Rechtsgeschäften unbeachtlich. Ausnahmsweise kann der Wegfall der Geschäftsgrundlage ein Lösungsansatz in der gegenwärtigen Ausnahmesituation sein. Dieser wurde in der österreichischen Rechtspraxis bisher wenig beachtet, stellt jedoch ein besonderes Anfechtungsrecht dar. Das österreichische ABGB enthält (im Unterschied zu Deutschland) keine allgemeine Regelung für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage.

Nach der Rechtsprechung (siehe z.B. OGH 8 Ob 585/88) ist das Instrument des Wegfalls der Geschäftsgrundlage das letzte Mittel, ein Rückgriff darauf ist daher auch dann nicht möglich, wenn ein anderes Instrument wie z.B. die Anpassung des Vertrags nach 1104 f ABGB (siehe dazu ausführlich in unserem Beitrag Müssen Vermieter coronabedingt massive Zinsausfälle hinnehmen? (immobilienrecht-klagenfurt.at)) zur Verfügung steht.

Voraussetzungen

Unter Geschäftsgrundlage sind Erwartungen zu verstehen, die die Parteien bei Vertragsabschluss nicht konkret bedacht und nicht vertraglich geregelt haben, die aber Rechtsgeschäften, wie dem abgeschlossenen, immanent zugrunde liegen. Damit die Geschäftsgrundlage überhaupt Berücksichtigung findet, muss es sich zunächst um ein nicht bloß individuelles Motiv, sondern um einen geschäftstypischen Umstand handeln, der zu jeder Zeit und von jedermann mit diesem Geschäft verbunden wird. Die Änderung der Verhältnisse darf bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar gewesen sein, weil es sonst an den Parteien gelegen wäre, eine entsprechende vertragliche Regelung zu treffen. Außerdem darf die Änderung nicht in die Sphäre jenes Vertragsteils fallen, der sich auf das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft.

COVID-19

Die durch das Corona-Virus eingetretenen Einschränkungen im (Wirtschafts-)leben können zweifellos den Wegfall von geschäftstypischen Umständen begründen, von deren Vorliegen die Vertragsparteien bei Vertragsabschluss ausgegangen sind:

Ein Mieter, der sein Geschäftslokal zu Verkaufszwecken in Bestand genommen hat, dem der Verkauf seiner Ware aufgrund der Pandemie nun jedoch untersagt ist bzw. es sich wegen Kundenausfall nicht auszahlt, zu öffnen, könnte versuchen, mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage zu argumentieren. Schließlich handelt es sich um einen geschäftstypischen Umstand, die Räumlichkeit zu Geschäftszwecken (und nicht bloß als Lager oder Büro) nutzen zu können. Dies wird auch von jedermann und zu jeder Zeit damit verbunden. Natürlich war die Änderung der Verhältnisse auch unvorhersehbar und fällt weder in die Sphäre des Mieters, noch des Vermieters.

Zu beachten ist jedoch, dass der Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht zur Unwirksamkeit, sondern zur Anfechtbarkeit des Vertrags führt, sodass entsprechende Schritte zu setzen sind. Soweit eine Vertragsanpassung noch möglich ist, hat die Anpassung gegenüber einer gänzlichen Vertragsaufhebung Vorrang.

Fazit: Wegen Corona-bedingter Einschränkungen kann es zum Wegfall der Geschäftsgrundlage eines Mietvertrags kommen. Dabei handelt es sich jedoch um einen subsidiären Behelf, der zur Anfechtung des Vertrags berechtigt. Andere Behelfe genießen in Österreich Vorrang, weswegen die Rechtsprechung in diesem Punkt (§ 1104 f ABGB) wahrscheinlich den Ausschlag geben wird. Trotzdem muss in jedem Fall der konkrete Vertrag geprüft werden, bevor eine Aussage möglich ist.  

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