In unseren Beiträgen (Kürzung von Geschäftsraummiete – Bestätigung durch die 2. Instanz (immobilienrecht-klagenfurt.at); Corona-Hilfsfonds – Zuschüsse ersetzen Zinsminderung nicht (immobilienrecht-klagenfurt.at); …) haben wir Sie bereits über die aktuelle Rechtslage bezüglich COVID-19 und Geschäftsraummieten informiert. Im so genannten Mietstreit geht es um den Entfall bzw. die Minderung des Bestandzinses, wenn Geschäftslokale aufgrund der Pandemie nicht oder nur eingeschränkt benützbar sind (§§ 1104 f ABGB). Das betrifft sehr viele Betriebe aus unterschiedlichen Branchen. Zahlreiche Fälle landeten vor Gericht. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (LGZ Wien) hat unlängst in zweiter Instanz in drei Fällen entschieden. Setzt es seine bislang mieterfreundliche Judikaturlinie fort?

COVID-19 = Seuche

Die Problematik wird heiß diskutiert, denn Mieter und Vermieter kämpfen mit teils massiven Einnahmeausfällen. § 1104 ABGB besagt, dass der Vermieter im Fall einer „Seuche“ die Preisgefahr für außerordentliche Zufälle tragen muss. Nun ist die Corona-Pandemie nach Ansicht des LGZ Wien zweifelsohne eine Seuche im Sinne des Gesetzes. Außerdem setzt der Anspruch auf Zinsentfall bzw. -minderung nach bislang herrschender Ansicht auch keine Substanzschädigung am Mietobjekt voraus. Entscheidend ist vielmehr, ob die Gebrauchsmöglichkeit objektiv (also gemessen am Vertragszweck) beseitigt oder eingeschränkt ist.

In drei Fällen mieterfreundlich

In den kürzlich zweitinstanzlich entschiedenen Fällen ging es um ein Nagelstudio, ein Fitnessstudio und ein Reisebüro. In allen drei Fällen bekamen die Mieter Recht. Vor allem, wenn die Vermietung explizit zum jeweiligen Geschäftszweck erfolgt ist, sollen Mieter, die während der Lockdowns zusperren mussten, im Vergleich zu jenen von Lebensmittelgeschäften, nicht benachteiligt werden.

Auch umstritten war die Frage, ob der jeweilige Umsatzrückgang als Maßstab gelten kann. Das hielt das LGZ Wien für möglich, schließlich hat im Jahr 2005 auch der Oberste Gerichtshof (OGH) ausgesprochen, dass die Bemessung der Zinsminderung am festgestellten Umsatzrückgang nicht zu beanstanden ist. Außerdem soll ein Geschäftsraummieter nicht für die bloße Lagerung weiterhin denselben Mietzins bezahlen müssen.

COVID-Hilfsgelder

Problematisch ist auch, dass Covidhilfen durchwegs auf „operativ tätige“ Unternehmen beschränkt sind. Das bedeutet, dass viele Mieter von Geschäftslokalen Staatshilfen in Anspruch nehmen können, die meisten Vermieter jedoch nicht. Ob Mieter Fördermittel an den Vermieter weiterreichen müssen, ist umstritten. Was den Fixkostenzuschuss betrifft, so verneint das LGZ Wien einen solchen Herausgabeanspruch. Schließlich sehen die Förderrichtlinien eine „Schadensminderungspflicht“ für Antragsteller vor. Schwieriger wird es beim Umsatzersatz, doch auch hier vertritt das Gericht die Ansicht, dass es die Entscheidung des Gesetz- und Verordnungsgebers ist, nur gewisse Unternehmen zu fördern. Diese bewusste Entscheidung sollte zur Kenntnis genommen werden und kann durch die (ordentlichen) Gerichte auch nicht korrigiert werden.

Vertragliche Vereinbarung

Wird in einem Mietvertrag vereinbart, dass der Mieter das Risiko für außerordentliche Zufälle übernimmt, so ist dies grundsätzlich möglich, doch muss dem Mieter dann ein Vorteil (z.B. ein besonders niedriger Zins) gewährt werden. Ein gänzlicher Ausschluss von § 1104 ABGB ohne ein entsprechendes Entgegenkommen ist nach Ansicht des LGZ Wien sittenwidrig.

(Veröffentlicht in LGZ Wien 23.6.2021, 39 R 124/21f; LGZ Wien 23.6.2021, 39 R 143/21z sowie LGZ Wien 7.6.2021, 38 R 66/21v).

Fazit: In den aktuellen Entscheidungen des LGZ Wien im pandemiebedingten Streit um Geschäftsraummieten ging es um ein Fitness-, ein Nagelstudio sowie ein Reisebüro. Sie zahlten wegen der Lockdowns weniger Miete, was bei den Vermietern zu enormen Zinsausfällen führte. Zwar gibt es noch keine höchstgerichtliche Entscheidung, doch das LGZ hat die bisherige Judikaturlinie fortgesetzt und zugunsten der Mieter entschieden. Wir halten Sie diesbezüglich am Laufenden.

 

Hinweis: In Mietverträgen kann zwar auch vereinbart werden, dass der Mieter das Risiko außerordentlicher Zufälle übernimmt, doch ein solcher Verzicht ist nicht ohne jede Gegenleistung möglich. Ausschlaggebend ist stets die Formulierung. Es lohnt sich daher, eine solche Klausel im Mietvertrag anwaltlich prüfen zu lassen.

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