Das Vorkaufsrecht ist das Recht, in einen Kaufvertrag durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Verkäufer als Käufer eintreten zu dürfen. Diese Möglichkeit kann auch juristischen Personen zustehen. Bei natürlichen Personen erlischt dieses Recht, wenn der Berechtigte verstirbt, doch was gilt im Fall der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften mit dem Vorkaufsrecht derjenigen Gesellschaft, deren Vermögen zur Gänze übernommen wird?

Zum Sachverhalt:

Der Antragsteller ist Miteigentümer von Anteilen einer Liegenschaft, mit denen Wohnungseigentum an zwei Objekten verbunden ist. Auf diesen Anteilen ist seit dem Jahr 1969 ein Vorkaufsrecht für eine offene Handelsgesellschaft (OHG) eingetragen. Als Miteigentümerin von Anteilen an der Liegenschaft, mit denen Wohnungseigentum verbunden ist, ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) eingetragen. Im Lauf der Zeit wurde die Rechtsform der OHG bis hin zur GmbH & Co KG geändert. Im Jahr 2016 wurde die Vermögensübernahme der GmbH & Co KG nach § 142 UGB im Firmenbuch eingetragen und die GmbH & Co KG wurde gelöscht. Der Antragsteller begehrte die Löschung des zu Gunsten der früheren OHG eingetragenen Vorkaufsrechts. Das Erstgericht bewilligte die Löschung. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der übernehmenden GmbH Folge und wies den Antrag auf Löschung des Vorkaufsrechts ab. Der Antragsteller wandte sich mittels Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof (OGH).

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 1074 ABGB kann das Vorkaufsrecht weder einem Dritten abgetreten, noch auf die Erben des Berechtigten übertragen werden. Die Unvererblichkeit soll der im Vorkaufsrecht enthaltenen Beschränkung des freien Verkehrs eine zeitliche Grenze setzen. Ein Vorkaufsrecht kann auch einer juristischen Person eingeräumt werden. Es erlischt dann grundsätzlich auch mit deren Untergang.

Eine Verschmelzung von Gesellschaften durch Aufnahme oder Neugründung erfolgt ohne Liquidation und wird auch „Fusion“ genannt. Die übernehmende oder neu gegründete Gesellschaft tritt in jeder rechtlichen Hinsicht an die Stelle der übertragenden Gesellschaft. Da die Beendigung der übertragenden Gesellschaft liquidationslos erfolgt, gehen in der Folge sämtliche Rechte und Pflichten, Forderungen und Schulden im Weg einer Gesamtrechtsnachfolge über.

Ein der aufnehmenden Gesellschaft eingeräumtes Vorkaufsrecht bleibt von der Verschmelzung unberührt aufrecht. Ein zu Gunsten der übertragenden Gesellschaft im Grundbuch eingetragenes Vorkaufsrecht sollte hingegen nach einer älteren Ansicht gemäß § 1074 ABGB erlöschen, weil die Verschmelzung zum Untergang der übertragenden Gesellschaft führen würde.

Diese Ansicht wurde kritisiert, weil dadurch die Vollbeendigung einer juristischen Person wegen Verschmelzung mit den Folgen des Todes einer natürlichen Person gleichgesetzt wird. Der OGH griff diese Kritik auf und sprach aus, dass ein nach § 1070 ABGB unveräußerliches und unvererbliches Wiederkaufsrecht, das zu Gunsten der übertragenden Gesellschaft bestanden hat, durch eine Fusion nicht untergeht. Mit der Verschmelzung findet keine Übertragung dieses Rechts an einen von der berechtigten Gesellschaft verschiedenen Dritten im Sinn des § 1070 ABGB statt. Das Vermögen der übertragenden Gesellschaft geht in der aufnehmenden Gesellschaft auf, weshalb ein Gestaltungsrecht wie das Wiederkaufsrecht zu Gunsten dieser Gesellschaft fortwirkt. Diese Form der Gesamtrechtsnachfolge kann den Rechtsfolgen des Todes einer natürlichen Person nicht gleichgehalten werden. Dies war im Grunde eine „Judikaturwende“, welche auch von der Literatur positiv aufgenommen wurde.

Nach der (nunmehr) in Lehre und Rechtsprechung herrschenden Meinung erlöschen daher bei einer Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auch der übertragenden Gesellschaft zustehende Gestaltungsrechte in Form eines Wiederkaufs- oder eines Vorkaufsrechts an Liegenschaften nicht. Sie gehen aufgrund der mit solchen gesellschaftsrechtlichen Vorgängen verbundenen Gesamtrechtsnachfolge auf eine andere Gesellschaft über.

Im Anlassfall gestand der Antragsteller zwar zu, dass die im Firmenbuch eingetragene Vermögensannahme durch die Komplementär-GmbH eine Gesamtrechtsnachfolge nach § 142 UGB bewirkte, sah jedoch nicht ein, dass das Vorkaufsrecht von dieser Universalsukzession erfasst sein soll, weil dieses zufolge § 1074 ABGB wie im Fall einer Verschmelzung durch die Übernahme erloschen sei. Genau diese Ansicht zum Untergang eines Vorkaufsrechts wird, wie oben angeführt, als überholt angesehen.

Der OGH sprach daher im vorliegenden Fall aus, dass die Beurteilung des Rekursgerichts, das Vorkaufsrecht sei mit der wirksamen Vermögensübernahme auf die übernehmende GmbH als Gesamtrechtsnachfolgerin einer GmbH & Co KG übergegangen und deshalb nicht erloschen, der herrschenden Lehre und Rechtsprechung zum Schicksal derartiger Gestaltungsrechte entspricht, sofern es um die Gesamtrechtsnachfolge von Gesellschaften geht. Der Revisionsrekurs blieb daher ohne Erfolg (veröffentlicht in OGH 5 Ob 74/20y).

Fazit: Ein Vorkaufsrecht einer KG geht durch Übergang des Gesellschaftsvermögens auf den verbleibenden Gesellschafter nach § 142 UGB nicht unter, sondern im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf diesen über. Dass sich die herrschende Ansicht in bestimmten Rechtsgebieten oft grundlegend ändern kann, zeigt dieses Beispiel. Zielgerichtete und verständliche Rechtsberatung kann Ihnen dabei helfen, auf dem „neuesten Stand“ zu sein, sodass rechtliche Schritte stets angepasst an die individuelle Situation gesetzt werden können.

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