Grundstücke ohne Zufahrt haben oft nur einen geringen Wert. Werden sie zu einem geringen Preis erworben oder gar geschenkt, so stellt sich die Frage, ob dennoch ein Anspruch auf Einräumung eines Notwegs bestehen kann und worauf es dabei ankommt. Könnte unter Umständen sogar Rechtsmissbrauch vorliegen?

Rechtsprechung

Mit dieser Thematik hat sich der Oberste Gerichtshof (OGH) erst kürzlich befasst und festgestellt, dass auch der unentgeltliche, aber gutgläubige Erwerb einer Liegenschaft dem Anspruch auf Einräumung eines Notwegs nicht entgegensteht. Das entspricht bereits gefestigter Rechtsprechung des Höchstgerichts.

Ausnahme?

Anders sieht es jedoch aus, wenn das Grundstück im Bewusstsein, dass kein Notwegerecht besteht, um einen (deswegen) geringen Preis erworben oder gar geschenkt wird. In diesem Fall wäre die Einräumung eines Notwegs nach Ansicht des OGH Rechtsmissbrauch, womit auch der Anspruch auf Einräumung nicht besteht. Ob rechtsmissbräuchlich vorgegangen wurde, ist stets im Einzelfall zu ermitteln. Dabei ist die Gutgläubigkeit genau zu hinterfragen und auch zu prüfen, ob auffallende Sorglosigkeit im Sinne des § 2 Absatz 1 Notwegegesetz (NWG) vorliegt. Demnach ist das Begehren um Einräumung eines Notwegs unzulässig, wenn der Vorteil des Notwegs nicht überwiegt. Zu berücksichtigen sind die Nachteile, welche den zu belastenden Liegenschaften durch den Notweg insgesamt erwachsen. Auch unzulässig ist die Einräumung, wenn auffallende Sorglosigkeit des Grundeigentümers ursächlich für den Mangel der Wegeverbindung ist. Zur Erzielung einer kürzeren als der bestehenden Wegeverbindung wird ein Nothweg nicht gewährt (veröffentlicht in OGH 4 Ob 74/21t).

Fazit: Nach gefestigter Rechtsprechung des OGH steht auch der unentgeltliche, aber gutgläubige Erwerb einer Liegenschaft dem Anspruch auf Einräumung eines Notwegs nicht entgegen. Aber Vorsicht: Wird ein Grundstück jedoch im Bewusstsein, dass kein Notwegerecht besteht, um einen (deswegen) geringen Preis erworben oder gar geschenkt, ist die Einräumung eines Notwegs Rechtsmissbrauch und besteht der Anspruch nicht.

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