Grundsätzlich sind Kapitalgesellschaften verpflichtet, spätestens neun Monate nach Ende des Geschäftsjahres ihren Abschluss beim Firmengericht einzureichen. Nun hat COVID-19 jedoch fast alles verändert und die Wirtschaft in den Lockdowns teilweise zum Stillstand gebracht. Aber ist es ein Entschuldigungsgrund, wenn eine Gesellschaft vom Ausbruch der COVID-19-Pandemie getroffen wurde?

Zwangsstrafen drohen

Zunächst sieht § 283 Unternehmensgesetzbuch (UGB) vor, dass bei nicht rechtzeitiger Einreichung des Jahresabschlusses einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung Zwangsstrafen zu verhängen sind. Unterbleibt die Offenlegung, sind (neben der Gesellschaft) auch die Geschäftsführer zur Befolgung der Offenlegungsvorschriften durch Zwangsstrafen anzuhalten. Adressaten dieser Drohung sind also alle Mitglieder eines kollegialen Vertretungsorgans. Auf die für das Innenverhältnis maßgebliche Geschäftsverteilung kommt es dabei nicht an.

Ausnahme?

Unlängst hat sich auch der Oberste Gerichtshof (OGH) mit dieser Thematik befasst und festgelegt, dass es zur Wahrung der Frist bereits ausreicht, einen vorläufigen Jahresabschluss einzureichen. Von der Verhängung einer Zwangsstrafe kann abgesehen werden, wenn das Organ offenkundig durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der fristgerechten Offenlegung gehindert war. In diesem Fall kann, soweit bis dahin noch keine Offenlegung erfolgt ist, mit der Verhängung der Zwangsstrafverfügung bis zum Ablauf von vier Wochen nach Wegfall des Hindernisses, welches der Offenlegung entgegenstand, zugewartet werden. Für die Verhängung von Zwangsstrafen reicht aber bereits leichte Fahrlässigkeit aus.

Pandemiebedingt könnte eine Gesellschaft nun beispielsweise angeben, dass sie die Erstellung auch nur eines vorläufigen Jahresabschlusses organisatorisch selbst bei intensivsten Bestrebungen nicht bewältigen konnte. Der Gerichtshof stellte diesbezüglich fest, dass ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis nicht schon dann anzunehmen ist, wenn „vertragliche Aspekte zur Abklärung anstanden, die nicht gänzlich rechtlich aufgeklärt werden konnten“. Selbst die Berufung auf interne Unstimmigkeiten entbinden mehrere Geschäftsführer nicht von ihrer Verpflichtung. Der Geschäftsführer muss in allen Fällen nachweislich alles unternommen haben, um die rechtzeitige Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten zu gewährleisten. Eine gegenteilige Auslegung würde, so das Höchstgericht, letztlich zu einem „Freibrief“ für alle offenlegungspflichtigen Gesellschaften etwa in Fällen führen, in denen vertragliche Aspekte abzuklären wären oder Bilanzpositionen unsicher sind.

Wahrung der Bilanzpublizität

Es liefe dem Zweck der Bilanzpublizität zuwider, wenn man ein Unterbleiben der Offenlegung des Jahresabschlusses bereits aus solchen oder ähnlichen Gründen akzeptiert. Der Zweck der Offenlegung von Jahresabschlüssen besteht schließlich darin, Dritte, die die Situation der Gesellschaft nicht ausreichend kennen, zu informieren. Dieser Zweck darf nach Ansicht des Gerichtshofs jedenfalls nicht leicht zu vereiteln sein (veröffentlicht in OGH 6 Ob 30/21m).

Fazit: Bei nicht rechtzeitiger Einreichung des Jahresabschlusses einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung werden Zwangsstrafen verhängt. Adressaten sind alle Mitglieder eines kollegialen Vertretungsorgans. Davon kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn das Organ offenkundig durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der fristgerechten Offenlegung gehindert war. Wann ein solcher „Ausnahmezustand“ vorliegt, wird im Einzelfall streng beurteilt, denn der Zweck der Bilanzpublizität sollte gewahrt bleiben. Der Geschäftsführer muss in allen Fällen nachweislich alles unternommen haben, um die rechtzeitige Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten zu gewährleisten. Unser Rat: Die Rechtsprechung ist bei der Beurteilung, ob ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vorliegt, sehr streng. Da bereits ein vorläufiger Jahresabschluss ausreichend ist, sollte ein solcher jedenfalls fristgerecht eingereicht werden, um Zwangsstrafen zu entgehen.

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