Über die gemeinsame Ehewohnung ist oft nur ein Ehegatte verfügungsbefugt, wobei dieser gemäß § 97 ABGB nichts unternehmen darf, wodurch der andere Ehegatte die Wohnung, auf die er zur Deckung seines Wohnbedürfnisses angewiesen ist, verliert. Doch wie sieht es aus, wenn beide Ehegatten Mieter der Wohnung sind? Darf einer sie dann auch im Alleingang aufkündigen? Wann liegt überhaupt eine Gefährdung des Wohnbedürfnisses vor und welche Ansprüche umfasst § 97 ABGB im Detail?

§ 97 ABGB – Schutznorm?

Für den Fall, dass ein Ehegatte über die Wohnung, die der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Ehegatten dient, verfügungsberechtigt ist, sieht § 97 ABGB eine Sonderregelung vor. Der Verfügungsberechtigte hat nach dieser Bestimmung nämlich alles zu unterlassen, wodurch der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese verlieren könnte. Anders gesagt hat der andere Ehegatte einen Anspruch darauf, dass der verfügungsberechtigte Ehegatte alles unterlässt und vorkehrt, damit er die Wohnung nicht verliert, außer, wenn das Handeln oder Unterlassen des verfügungsberechtigten Ehegatten durch die Umstände erzwungen wird.

Die Rechtsprechung sieht den Zweck dieser Regelung darin, dem betroffenen Ehegatten jene Wohnmöglichkeit zu erhalten, die ihm bisher zur Deckung des den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Bedürfnisses gedient hat und die er weiterhin benötigt. Er soll insofern vor Willkürakten des anderen Ehegatten geschützt werden.

Beide Ehegatten Mitmieter

Unlängst befasste sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit einem Fall, in welchem von einem Ehepartner die Gefährdung des dringenden Wohnbedürfnisses durch Verfügungen des anderen geltend gemacht und die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gefordert wurde. Das Höchstgericht verneinte den Anspruch mit dem Argument, dass im Anlassfall beide Ehegatten Mitmieter und daher auch beide verfügungsberechtigt waren. In dieser Konstellation kann nicht ein Ehegatte alleine über die Wohnung in der Form verfügen, dass er sie beispielsweise aufkündigt. Auch für den Fall, dass nur ein Ehegatte verfügungsbefugt ist, müssten konkrete Umstände vorliegen, aus denen ein sicherungsfähiger Anspruch wegen der drohenden Gefahr eines Wohnungsverlusts abgeleitet werden könnte.

Regelungszweck und Ansprüche

Die aus § 97 ABGB abzuleitenden und sicherbaren Ansprüche erfassen allerdings nicht nur Ansprüche eines Ehegatten auf Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses, sondern auch solche, die aus der Verletzung dieses Wohnungserhaltungsanspruchs resultieren. Unter den Sicherungszweck fallen daher auch die zur Erhaltung der Ehewohnung erbrachten Aufwendungen, wobei zwischen sicherungsfähigen Leistungen, deren Unterbleiben einen Verlust der Wohnung zur Folge haben könnte und Leistungen, bei denen ein derartiger Verlust nicht droht (zum Beispiel Aufwendungen wie Kosten für Strom, Heizung etc.), zu unterscheiden ist. Dieser Regelungszweck begründet einen Zahlungsanspruch dann, wenn der in der Wohnung verbliebene Ehegatte die Zahlungen nicht selbst leisten kann. Nur in diesem Fall droht ein Verlust der Wohnung, den der verfügungsberechtigte Ehegatte nach § 97 ABGB abwehren muss (veröffentlicht in OGH 2 Ob 2/21i).

Fazit: Aus § 97 ABGB können Ansprüche eines Ehegatten auf Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses sowie solche, die aus der Verletzung dieses Wohnungserhaltungsanspruchs resultieren, abgeleitet werden. Sind beide Ehegatten Mieter der Wohnung, kann ein Ehegatte nicht alleine über die Wohnung in der Form verfügen, dass er sie beispielsweise aufkündigt. Ist nur einer verfügungsbefugt und liegen konkrete Umstände vor, aus denen sich ein sicherungsfähiger Anspruch wegen der drohenden Gefahr eines Wohnungsverlusts ableiten ließe, so muss der Verfügungsbefugte alles unterlassen, wodurch der andere Ehegatte die Wohnung, auf die er angewiesen ist, verlieren könnte. Dieser Fall zeigt, dass es im Spannungsfeld zwischen Miet- und Familien-, bzw. Eherecht einige Besonderheiten zu beachten gibt, auf die wir Sie gerne im Einzelfall aufmerksam machen.

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