Aufgrund der Lockdown-Regelungen ist es uns derzeit nicht möglich, viele Geschäfte selbst aufzusuchen und die Ware vor dem Kauf physisch zu überprüfen bzw. mit den Händlern in persönlichen Kontakt zu treten. Einkaufen wollen wir aber trotzdem – insbesondere, da Weihnachten vor der Tür steht. Viele Betriebe wollen ihre Ware „an den Mann“ bringen – ein Rücktritt vom Kaufvertrag ist daher gar nicht in ihrem Sinne. Können sie Rücktrittsrechte einfach ausschließen? Das Fern- und Auswärtsgeschäfte – Gesetz (FAGG) sieht besondere Schutzvorschriften für Verbraucher vor, wenn Vertragsabschlüsse außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten von Unternehmen stattfinden.

In einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) ging es erst kürzlich um diese Thematik: Der Kläger kaufte via Übermittlung des vom beklagten Händler zugeschickten und unterfertigten Kaufvertrags per E-Mail einen Gebrauchtwagen, den er zuvor auf der Homepage des Händlers gesehen hatte. Auf der Website gab es eine eigene Rubrik für „Gebrauchtwagen“, wobei unter den jeweiligen Inseraten Telefonnummern, eine Faxnummer und die E-Mail-Adresse des Händlers angegeben waren. Im Kaufvertrag waren auch die Worte „vorbehaltlich Besichtigung“ enthalten. Bei den Telefonaten hatte der Händler dem Kunden erklärt, dass ab Vertragsunterfertigung kein Rücktritt mehr möglich sei. Der Händler belehrte nicht über das nach FAGG zustehende Rücktrittsrecht. Als der Verbraucher bei der Übergabe Kratzer im Lack und leichte Mängel erkannte, ließ der Händler 200 € vom Kaufpreis nach und gab dem Verbraucher einen neuen Kaufvertrag sowie Garantieunterlagen zum Unterschreiben. Der Passus „vorbehaltlich Besichtigung“ war im neuen Vertrag gestrichen. Nach etwa elf Monaten wollte der Verbraucher nach FAGG zurücktreten und begehrte den gesamten Kaufpreis (veröffentlicht in OGH 6 Ob 36/20t).

Fernabsatzgeschäft – Verbraucherschutz?

Das FAGG gilt für Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG). Neben umfassenden Informationspflichten gemäß § 4 (1) FAGG sieht das FAGG in § 11 (1) als Kernbestimmung vor, dass der Verbraucher unter anderem von einem außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrag binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurücktreten darf, wobei sich die Frist nach § 12 (1) FAGG um zusätzliche zwölf Monate verlängert, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht ordnungsgemäß über dieses Rücktrittsrecht informiert hat. Ein Benützungsentgelt bzw. Wertminderung muss der Verbraucher dann ebenfalls nicht bezahlen.

Voraussetzung für einen Fernabsatzvertrag ist gemäß § 3 Z 2 FAGG das Vorliegen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems. Maßgeblich ist, ob der Unternehmer seinen Vertrieb auch auf einen regelmäßigen Absatz per Distanzgeschäft (Fernabsatz) ausgerichtet hat, wofür auch ein von ihm selbst eingerichtetes derartiges System ausreichen kann. Es genügt, wenn der Vertrieb zumindest zum Teil im Fernabsatz erfolgen kann, der Verkäufer also neben dem Online-Verkauf auch ein Geschäftslokal betreibt. Nicht ausreichend ist eine Website, welche nur der Information des Verbrauchers und der Möglichkeit einer Kontaktaufnahme dient, darüber hinaus aber für den Geschäftsabschluss eine persönliche Kontaktaufnahme und ein Ausverhandeln des konkreten Vertragsgegenstands und der Vertragskonditionen erforderlich sind. Homepages für Warenvertrieb mit Produktpräsentation sind hingegen ausreichend.

Es spielt keine Rolle, ob die Kommunikation nach dem Vertragsabschluss oder die Erfüllung des Vertrags ebenfalls in Distanz erfolgen. Das Gefahrenpotenzial des Fernabsatzes ist nämlich nach dem Vertragsabschluss nicht mehr gegeben, da die Entscheidung, eine physisch nicht zu begutachtende Ware zu erwerben sowie fehlende oder nur eingeschränkte Beratung dem Vertragsabschlussstadium zuzurechnen sind.

Vertragsabschluss im Fernabsatz

Im Anlassfall gab es zwei Kaufverträge, wobei nach Ansicht des OGH nicht der in den Geschäftsräumlichkeiten des Händlers unterfertigte zweite Kaufvertrag, sondern jener, der zuvor im Fernabsatz zustande kam, maßgeblich war. Zwar fand sich im schriftlichen Vertrag die Wortfolge „vorbehaltlich Besichtigung“, allerdings erklärte der Verkäufer am Telefon, es wäre kein Rücktritt möglich. Dieser (natürliche) Konsens der Parteien geht dem objektiven Erklärungswert und daher auch dem Inhalt des schriftlichen Vertrags vor. Es handelte sich um ein dem FAGG unterliegendes Geschäft, weil der Vertragsabschluss im Fernabsatz, also außerhalb der Geschäftslokale zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher stattfand. Der Unternehmer bedient sich eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems und hätte den Verbraucher über sein Rücktrittsrecht aufklären müssen. Die Informationspflicht gemäß § 4 (1) FAGG wurde seinerseits nicht eingehalten und Verbrauchern kommt in solchen Fällen ein „verlängertes“ Rücktrittsrecht zu.

 

Fazit: Fällt ein Geschäft in den Anwendungsbereich des FAGG, so treffen den Unternehmer sehr umfangreiche Informationspflichten. Er hat den Verbraucher insbesondere über sein Rücktrittsrecht aufzuklären und kann dieses nicht im Vorhinein einseitig ausschließen. Einen Juristen zu Rate zu ziehen lohnt sich, denn in der Praxis ist es nicht immer einfach, festzustellen, ob bzw. welcher Vertrag dem FAGG unterliegt. Die Schutzbestimmungen sind jedoch sehr umfangreich – hält sich der Unternehmer nicht an seine Informationspflicht, verlängert sich zum Beispiel die Rücktrittsfrist um zwölf Monate.

 

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