Ob in Krisenzeiten wie diesen oder bereits bei der Gründung: Viele Unternehmen stellen sich die Frage, wie sie handeln sollen, wenn ein GmbH-Gesellschafter insolvent wird? Geht es nach den übrigen Gesellschaftern, so wäre es wünschenswert, den Anteil des insolventen Gesellschafters aufgreifen zu können. Ist das zulässig? Worauf kommt es an und wie kann man sich das Aufgriffsrecht sichern? Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat nun eine gesellschaftsrechtliche Entscheidung getroffen, die endlich Klarheit schafft.

Eines wollen meist alle bisherigen Gesellschafter im Fall der Insolvenz eines Gesellschafters vermeiden, nämlich, dass durch einen Verkauf ein unerwünschter, fremder Käufer in die Gesellschaft eintreten könnte. Das ist der Grund, weswegen in der Praxis Aufgriffsrechte mit unterschiedlichen Abfindungsklauseln hinsichtlich der Preisberechnung vereinbart werden. Fakt ist, wenn ein Mitgesellschafter in die Insolvenz gerät, ist davon auch sein Geschäftsanteil betroffen. Der Insolvenzverwalter muss sich dann um die bestmögliche Verteilung, auch hinsichtlich des betroffenen Geschäftsanteils, kümmern. Strittig war bisher, ob der Insolvenzverwalter dabei das Aufgriffsrecht der anderen Gesellschafter zu beachten hat oder sich darüber hinwegsetzen und den Anteil am freien Markt veräußern kann.

Einheitliche Vorgehensweise erforderlich

Eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 06.09.2020 bringt nun endlich Klarheit. Im Anlassfall wurde der Abfindungspreis für verschiedene Aufgriffsfälle unterschiedlich geregelt. Bei Veräußerung des Anteils oder im Erbfall sollte ein Gesellschafter den vollen Verkehrswert für sich lukrieren können. Im Fall seiner Insolvenz sollten die übrigen Gesellschafter seinen Anteil übernehmen können, allerdings mit einem Abschlag von 20 % des Verkehrswertes.

Nach Ansicht des OGH sollte es eine solche Ungleichbehandlung nicht geben. Der Gerichtshof stellte den Gläubigerschutz in den Vordergrund und legte fest, dass Abfindungspreise so zu vereinbaren sind, dass diese für alle Fälle des Ausscheidens eines Gesellschafters gleich sind. Dabei darf es keinen Unterschied machen, ob der Gesellschafter verstirbt, freiwillig aussteigt oder insolvent wird. Der Abfindungspreis kann dem Verkehrswert oder auch einem geringeren Wert entsprechen, solange er „für jede Konstellation, vereinbart wird“. In einem Abschlag von 20 % im Insolvenzfall sieht der OGH eine sittenwidrige Benachteiligung der Gläubiger, weswegen diese Vereinbarung im Anlassfall nicht ins Firmenbuch eingetragen werden durfte.

Aus dieser Entscheidung folgt, dass Aufgriffsrechte in der Insolvenz grundsätzlich zulässig sind. Was die Abfindungspreise anbelangt, so müssen diese zwar nicht zwingend dem Verkehrswert entsprechen und können auch niedriger ausfallen, jedoch muss dies neben Insolvenz und Exekution auch für jeden Fall des freiwilligen und unfreiwilligen Ausscheidens vereinbart werden. Außerdem ist stets zu beachten, dass sie auch keine Verkürzung über die Hälfte darstellen und nicht sittenwidrig sein dürfen (veröffentlicht in OGH 6 Ob 64/20k).

Fazit: Der OGH hat die Frage geklärt, ob GmbH-Gesellschafter vereinbaren dürfen, dass bei Insolvenz eines Mitgesellschafters die anderen ein Aufgriffsrecht für dessen Anteile erhalten. Seine Antwort: Ja, Aufgriffsrechte für den Insolvenzfall eines Mitgesellschafters sind zulässig, aber ohne Untergriffe beim Preis. Rechtlich gut beraten kann auch in Krisenzeiten das „Unter-sich-Bleiben“ der Gesellschafter im Insolvenzfall gewährleistet werden. Dieses wurde schließlich als legitimes Regelungsinteresse anerkannt, womit einem hohen praktischen Bedürfnis entsprochen wurde.

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